Gegenfrage: Warum spielen Kinder? Ich selbst habe schon als kleiner Junge mit Rittern, Cowboys und Indianern, mit Elektroeisenbahnen, mit Baumaterial und gestapelten Handtüchern gleichzeitig auf dem Dachboden stundenlang in einer eigenen Welt verbracht, ohne Publikum, ohne Öffentlichkeitswunsch, nur für mich. Und das an vielen Tagen, immer wieder, mit außerordentlicher Freude. Alles war in dieser Welt möglich, sogar Superman kam irgendwann dazu, völlig logisch. Ich habe mit Buntstiften gemalt, was ich wollte, weil es mir Spaß machte , ohne Ziel und Zweck, natürlich auch weil meine lieben Eltern lobende Kommentare gaben. Das war sehr befriedigend, aber nicht primär der Grund für meine Malaktion. Ich spielte und spiele noch heute Gitarre, gerne für mich selbst, ich lese Romane, schaue Filme. Auch dafür brauche ich weder Applaus noch Publikum, ich tue es für mich zum Spaß.
Zurück zur Eingangsfrage: Ich mache Kunst, indem ich mich immer noch in meine eigene, innere Welt begebe, zum Spaß. Und wer dabei als Zuschauer oder Zuhörer von außen an meinem Produkt, Bild, Skulptur, Collage oder Musikspiel Anteil nehmen möchte, ist dabei herzlich willkommen, aber nicht der primäre Impuls für mein Tun. Ich bin also immer das Kind von früher geblieben, ein egozentrischer Erschaffer eigener Welten. Ich erlebe Geburten und Missgeburten, für mich selbst, wertfrei.
Ich könnte sie vielleicht klassifizieren, einteilen in Genres, in Materialgruppen, doch sicherlich ohne zusätzlichen Erkenntnisgewinn für den Betrachter. Insgesamt könnte man meine Kunst als befremdlich, schräg, verstörend, kantig-kauzig, teils morbide-düster, teils satirisch-sardonisch, surreal bezeichnen. Aber wozu all die Etiketten: ich bevorzuge ‚eigenartig‘.
Wie jeder Kreative verarbeitet man all die Eindrücke, die seit Kindheit an auf einen einstürzen. Kein Künstler fängt bei Null an; immer wird er auf ein kulturelles Erbe und Erleben zurückgreifen, dieses dann variieren, konterkarieren, abwandeln, anreichern. Als Kind habe ich schon im Kindergarten Klebebilder erstellt, mit Kreide und Buntstiften gemalt, mit Kartoffeln gedruckt; heute mache ich immer noch Collagen, arbeite mit Kreide und Buntstift, habe gedruckt.
Meine kulturelle Sozialisation – heute sagt man dazu Aneignung – fing damals an, auch angeregt durch meine Mutter, die sehr kreativ war, z.B. mit modernen Webarbeiten. Ich habe im Laufe der Jahre die Welt der Bücher betreten, Romane, Märchen und Sagen, Science-Fiction, Fantasy. Hunderte Figuren und Motive kennengelernt. Es kristallisieren sich im Laufe der Zeit natürlich Vorlieben heraus: so kann ich eher in die Welt einer Dystopie wie Orwells 1984 als in die Welt des Harry Potter eintauchen. Mit düsteren, befremdlichen Bildern einer Ausstellung kann ich mich viel intensiver beschäftigen als mit sommerlich- impressionistischen Gartenlandschaften, ungeachtet der jeweiligen gestalterischen Qualität. All diese Eindrücke formen meine Gedankengänge, meine Phantasie. Mein besonderes Interesse gilt immer schon und noch dem Befremdlichen, dem Abweichenden in der Literatur und in der Kunst. Aber eben nicht nur: ich beschäftige mich auch mit Form. Meinen Steinen wird man die oben genannten Etiketten nicht verpassen können. Ich mache eben, was ich will.
Da möchte ich nicht den einen nennen, sondern eine ganze Reihe anführen. Ich muss Hieronymus Bosch als Vertreter des Surrealismus, Max Ernst als begnadeten Collagisten nennen, groteske und expressionistische Vertreter wie James Ensor, Otto Dix oder Paul Rebeyrolle erwähnen. Die COBRA-Gruppe, namentlich Carel Appel und Lucebert, die farbenfroh und kindlich-spielerisch einen neuen Blick auf die Welt geben, sind an dieser Stelle aufzuführen, aber auch die namentlich meist unbekannten, mit einer innerlichen Glut und Herzblut beseelten Outsider und Art-Brut-Vertreter, die fernab der Konvention eigenen Welten Raum zu geben imstande sind. Nicht zu vergessen Streetart und Graffiti, zumeist eben die Randbereiche der Kunst.
Im Mutigsein. Intime Begegnungen und Auseinandersetzung mit Objekten derartiger Künstler in beinahe menschenleeren Museen, Galerien und Hinterhöfen haben mich immer wieder ermutigt, meiner eigenartigen Kreativität ebenfalls freies Spiel zu geben. Fotos aus Ausstellungen, Katalogen und Zeitschriften, finden Eingang in meine Collagen; ich mache mir diese Welt zu eigen, ich entnehme Details, setze neu zusammen, baue meine eigene Welt aus all diesen Eindrücken.
In allen möglichen Größen über einen langen Zeitraum entstanden Assemblagen: oft Kombinationen aus gefundenen, bearbeiteten und verarbeiteten Materialien, mit Art-Brut-Elementen, mit Collagen, farblich gefasst, häufig figurativ angelegt, ohne stilistische Begrenzung.
Meine Kästchenassemblagen fungieren hier formal als Collagen mit Raum, Begrenzung, Rahmen. Eigene Collagen, Bilder, Skulpturen mischen sich mit fremden Objekten, sozusagen kulturübergreifend. Es sind eigentlich dreidimensionale Collagen. Jedes Kästchen eine eigene Erzählung. Die Szene des Kästchens mit dem Titel ‚der Dialog‘ wirft z.B. Fragen auf, die jeder Betrachter wie auch immer beantworten kann, allerdings gebe ich zu, dass ihn die verschiedenen Elemente in eine gewisse Richtung lenken: die Wohnzimmertapete als gutbürgerlich, unmodern, die starre, alte Frau als Zuhörerin und Empfängerin der Botschaft, das schlafende, vielleicht tote Tier im Mittelpunkt… Da kann man sich schon einiges denken. Alle meine Arbeiten verstehen sich als ein Angebot an die Phantasie, ein Remix von Wirklichkeit.
Der Reiz liegt in der unerwarteten, ungewöhnlichen Kombination der einzelnen Elemente. Verarbeiten Sie diese, wie Sie möchten, bleiben Sie dabei aber nicht auf der Ebene der Benennung der einzelnen Objekte stecken. Ersinnen Sie eine mehr oder weniger plausible Geschichte.
Ich mag und kann solche Kästchen nicht erklären, gerne höre ich aber die Phantasiegeschichten der Betrachter hierzu.
Durch die Möglichkeit, mit Hilfe kleiner Apps und Farbfilter digitale Collagen und Bilder auf dem iPad zu kreieren, entstanden qualitativ bessere Collagen. Die neuen Musikproduktionsapps, Synthesizer, Drums, modulare Elemente usw. ermöglichten auch uns Laien, plötzlich ganze Musikstücke zu produzieren. Die Videos lassen noch einen Schritt weiter zu. Auch hier ist es die Kombination von Elementen, die den Zusatzgewinn bringt.
Meine Fotos, Bilder, Collagen dienen als zusätzlicher visueller Reiz zu meinen meist instrumental- elektronischen Musikstücken.
Aber auch umgekehrt funktioniert eine solche Kombination: man lässt die Bilder am Bildschirm an sich vorüberziehen, die von der Musik untermalt werden und damit eine zusätzliche Dimension erhalten.
Ich empfehle, die Videos laut mit Kopfhörern auf sich wirken zu lassen.
Ehrlich gesagt: Nein. Zeitlicher Aufwand und Kosten für die Präsentation
(Werbung, Texte, Rahmungen, Podeste, Lichtinstallation etc.) stehen meiner Ansicht nach in keinem ausgewogenen Verhältnis zu erwartbarem Publikumsinteresse. Wie oft schon habe ich selbst kleinere Museen oder Galerien besucht, in denen sich nur wenige Interessierte verliefen. Ich könnte mir schon vorstellen, dass liebe Freunde und nette Bekannte gerne und zahlreich zu einer Ausstellungseröffnung kämen, doch verständlicherweise kämen diese in den anstehenden Wochen nicht noch einmal. Da ein breites Publikum derzeit nur zu bekannten Namen und heftig umworbenen, großen Veranstaltungen kommt, bleiben die kleinen, feinen Veranstaltungsorte auf der Strecke.
Gehen Sie davon aus, dass mir persönlich ein kommerzielles Interesse fern liegt. Ich habe das Glück und die Freiheit, keines meiner Werke verkaufen zu müssen. Es ist das Glück der kleinen Kinder, die nur für sich schöne Bilder malen dürfen.